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Bewegte Biografien
Foto: Volker Beushausen

Bewegte Biografien

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Fotini Kouneli

Das Theaterensemble „Odysseus Schwestern“ am Agora-Kulturzentrum lässt auf der Bühne auch die bewegten Lebensgeschichten der Teilnehmerinnen einfließen. Dieses Jahr feiert die Gruppe 25. Geburtstag.

Wenn „Odysseus Schwestern“ in den Räumen des Agora-Kulturzentrums in Ickern proben, herrscht reges Treiben. Die Frauen scherzen, lachen und diskutieren. Den kunterbunten Haufen eint vor allem eins: die Leidenschaft fürs Theater.

Das Ensemble besteht derzeit aus sechzehn Frauen zwischen 50 und 86 Jahren. Eine von ihnen ist Sofia Papadopoulou, die in den Sechzigern als sogenannte Gastarbeiterin aus einem kleinen griechischen Dorf in der Nähe von Xanthi nach Deutschland kam. Obwohl sie zuvor keinerlei Berührungspunkte mit dem Theater hatte, fand sie schnell Gefallen an der Kunstform. „Mir macht alles daran Spaß. Hier kann ich mit Gleichgesinnten zusammen sein, anstatt allein zuhause zu sitzen“, berichtet die engagierte Teilnehmerin, die bereits seit der Gründung dabei ist.

Ähnlich geht es Wanda Tomshöfer, die das Theater als Möglichkeit zur kreativen Selbstentfaltung im Ruhestand sieht: „Ich bin überzeugt davon, dass das Theater uns jung hält. Das Auswendiglernen der Texte ist wie Gehirnjogging“, sagt sie lachend. In die Inszenierungen der Theatergruppe fließen immer auch Lebensrealitäten und Erfahrungen der Teilnehmerinnen ein. „Es ist ein kollaborativer Prozess, bei dem alle Frauen zusammenkommen und aus ihrem Leben erzählen“, so Regisseurin Erika Römer. Aus diesen Geschichten und Erlebnissen kristallisieren sich die Handlungsstränge, die als Grundlage für neue Theaterstücke dienen. Wiederkehrende Themen sind Flucht, Migration, Familie und die soziale Rolle als Frau.

Das neueste Stück „Schneewittchen – oder: Ich pfeife auf deinen Prinzen“ ist eine humorvolle Auslegung des bekannten Märchens. Die Theatergruppe bringt mit ihrer Interpretation der vermeintlich bösen Königin einen komplexen Charakter auf die Bühne, der von mehreren Schauspielerinnen gleichzeitig gespielt wird. „Das soll nicht nur den inneren Monolog der Königin widerspiegeln, sondern auch unsere eigenen Erfahrungen reflektieren“, erklärt Tomshöfer, und Römer ergänzt: „In der Inszenierung haben wir viele Gedanken über Schönheit, Jugend und das Älterwerden verarbeitet.“

An die Gründung der Theatergruppe erinnert sich die Regisseurin und freiberufliche Theaterpädagogin noch ganz genau. Ende der 1990er-Jahre traten viele Frauen der griechischen Gemeinde in den Ruhestand, die in den Sechzigern und Siebzigern nach Deutschland gezogen waren. Die Gemeinde suchte nach passenden Angeboten für diese Frauen. „Als ich für das Projekt angefragt wurde, hatte ich sofort großes Interesse und schlug vor, die Gruppe zu öffnen und Frauen jedes Alters und jeder Herkunft einzuladen“, erzählt sie.

Unter ihrer professionellen Leitung werden seit nun 25 Jahren neben Maskentheaterprojekten und klassischen griechischen Adaptionen – wie Prometheus oder Lysistrata – auch eigene biografisch geprägte Stücke kreiert. Viele Aufführungen finden zweisprachig statt, in Griechisch und Deutsch. Als Teil des Mehrgenerationenhäuser-Projekts ergänzt die vom Land geförderte Gruppe weitere kostenlose Agora-Angebote, wie Näh- und Tanzgruppen. Mitarbeiterin Karen Graeber betont: „Das Theaterangebot ist ein fester Bestandteil unseres Kulturzentrums, auf das wir sehr stolz sind.“

Info
Agora-Kulturzentrum

www.agora-kulturzentrum.de

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