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Innenstadt wiederbelebt?
Ziehen an einem Strang für die Altstadt: Verena Reuter, Bereichsleiterin Stadtentwicklung und Statistik, und Innenstadtmanager Christoph Krafczyk. Foto: Volker Beushausen

Innenstadt wiederbelebt?

Lesedauer: ca. 6 Min. | Text: Jakob Surkemper

Knapp 20 Ladenlokale stehen in der Castroper Altstadt leer. Mit Mitteln des Landesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren NRW“ konnten einige Leerstände beseitigt und der Abwärtstrend so gestoppt werden.

Der saftig grüne Spargel und die knallroten Erdbeeren in der Auslage vor Menkens Bauernladen im Biesenkamp 8 locken immer wieder Kunden in den Laden. Auch wenn die Preise deutlich über Supermarktniveau liegen, scheint das Angebot, das sich längst nicht mehr auf die beiden saisonalen Produkte beschränkt, angenommen zu werden. Im April 2024 hatte Landwirt Jan Menken das ehemalige Ladenlokal von Strumpfwaren Hendrich zunächst als Pop-up-Store für die Spargel- und Erdbeer-Saison übernommen. Später hatte er das Angebot erweitert und sich für einen längeren Verbleib im Lokal entscheiden. „Ich war, ehrlich gesagt, erst skeptisch“, gibt Menken zu, „ob der Laden hier am Standort läuft. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass wir auch außerhalb der Hauptsaison bestehen können.“

Ohne die Förderung aus dem Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren Nordrhein-Westfalen“ hätte Menken das Experiment aber wohl nicht gewagt. Die Förderung sichert dem Mieter für maximal zwei Jahre eine deutlich vergünstigte Miete zu; für die Zeit danach muss neu verhandelt werden. Menken ist aber zuversichtlich, dass sein Bauernladen auch über den zweijährigen Förderzeitraum hinaus eine Perspektive hat. Der Deininghauser betreibt bereits seit vier Jahren einen ähnlichen Laden in Bochum, der sehr gut laufe.

Vier von acht Läden sind geblieben

Menken ist einer von fünf Händlern, die von der Neuauflage des 2020 infolge der Corona-Pandemie aufgesetzten „Sofortprogramms Innenstadt NRW“ profitieren, das bis 2023 lief. Acht Geschäfte wurden damals in der Castroper Altstadt gefördert; vier gibt es auch heute noch, auch ohne Förderung. Einer von ihnen ist der Kleiderladen „Sitzt & passt: Mode von Mensch zu Mensch“. Von außen sieht das Geschäft in der Mühlenstraße 8 aus wie eine gewöhnliche Boutique. Doch die Klamotten, die hier zu kaufen sind, stammen aus Kleiderspenden und sind besonders günstig.

links: Christoph Krafczyk, Innenstadtmanager

rechts: Sabrina Lankers, DRK-Kleidershop
Seit Anfang 2024 ohne Förderung in der Mühlenstraße 8: „Sitzt & passt“. Shopleiterin Sabrina Lankers ist zufrieden mit der Lage. Foto: Volker Beushausen

Das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Recklinghausen, betreibt das 80 Quadratmeter große Geschäft und hat im hinteren Teil des Ladens auch seine Castrop-Rauxeler Geschäftsstelle mit weiteren Angeboten wie Obdachlosen- oder Frauenhilfe und einen Seminarraum. „Die Lage ist ideal“, sagt Shopleiterin Sabrina Lankers, „wir haben jetzt viel mehr Laufkundschaft als am alten Standort in der Neptunstraße“. „Die Förderung richtet sich bewusst an Menschen, die etwas ausprobieren wollen“, sagt Innenstadtmanager Christoph Krafczyk, und auch nicht nur an den klassischen Einzelhandel; ohnehin geht der Trend hin zu mehr Dienstleistungen. Seine Aufgabe sieht er in der Vermittlung zwischen Mietinteressenten und Immobilieneigentümern. „Insbesondere Filialisten haben häufig klare Vorstellungen von den Räumlichkeiten, die überalterte Lokale nicht erfüllen können.“ In anderen Fällen seien die Eigentümer schon sehr alt und/oder schlecht erreichbar.

„Im Fall von ‚Sitzt und passt‘ waren sie schon vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert“, so Krafczyk. Auch bei den Preisverhandlungen unterstützt er, denn die Förderung wird nur gewährt, wenn auch die Eigentümer auf einen Teil der ursprünglichen Miete verzichten. Zuletzt konnte er bei der Suche nach einer Nachfolge für den Buchladen Leselust helfen, den im April eine neue Eigentümerin übernahm. „Wir sind für sein Engagement total dankbar“, sagt Verena Reuter, Bereichsleiterin Stadtentwicklung und Statistik. Ein weiterer größerer Erfolg: der Einzug des Bettenladens „Rega Prestige“ ins frühere „Lichthaus“ im Biesenkamp 1, das bereits seit 2017 leer stand.

Mehrheit sieht Entwicklung positiv

2024 hat die Stadt ein Einzelhandelskonzept für die Altstadt fortgeschrieben und dafür auch eine Umfrage der Händler durchgeführt. Demnach ist die Stimmung gar nicht so schlecht. So beurteilt eine Mehrheit von 41 Prozent die Entwicklung der letzten fünf Jahre als positiv. 34 Prozent sahen keine Veränderung, und 26 Prozent bewerteten die Entwicklung negativ. Als Hauptgründe für die negative Entwicklungen machten die Händler externe Bedingungen wie die Corona-Pandemie, hohe Inflation/Energiepreise und verstärkte Konkurrenz aus. Bei den Erwartungen ist das Bild etwas differenzierter: Für die nächsten fünf Jahre erwarten 32 Prozent eine positive Entwicklung, 28 Prozent keine Veränderung und 26 Prozent eine Verschlechterung.

Jan Menken, Inhaber Menkens Bauernlädchen
Jschon im zweiten Jahr im Biesenkamp 8:
Jan Menken und sein Bauernladen. Foto: Volker Beushausen

Zumindest für die letzten drei Jahre ziehen Stadtentwicklerin Verena Reuter und Innenstadtmanager Christoph Krafczyk eine positive Bilanz. Der Leerstand sei nicht weiter gewachsen – gegen den Trend in andren Städten. Die Förderung läuft noch bis einschließlich 2027. Bauer Jan Menken ist sich sicher: „Dinge, die Lebensqualität in die Stadt bringen, haben eine Perspektive.“

 

Was tut sich...

... am Stadtmittelpunkt & in Rauxel

Noch in diesem Jahr könnte der letzte Bauabschnitt des Spiel- und Sportparks „Castroper Holz“ am Hallenbad realisiert werden. U. a. soll noch ein Basketballfeld und eine Doppelseilbahn entstehen. Die Finanzierung über einen Förderbescheid des Landes steht seit September letzten Jahres. Auch laufe derzeit das Vergabeverfahren zur Neugestaltung des Rathauses und Forumsplatzes unter den drei Architektenbüros, die beim Gestaltungswettbewerb
im letzten Jahr die ersten Plätze belegten. Das Verfahren soll möglichst bis Herbst abgeschlossen sein, heißt es aus der Stadtverwaltung. Passieren solle demnächst auch etwas im Dorf Rauxel auf der Zechenbrache Erin 5 / Am Wetterschacht.

Etwa ein Viertel der Fläche war zwischen 2020 und 2022 bereits durch die RAG Montan Immobilien GmbH direkt vermarktet, der größte Teil aber an einen Investor verkauft worden. Von der Stadt hieß es: Alle Baugenehmigungen lägen vor, und offene Fragen seien geklärt, sodass auf dem Gelände bald die Bagger rollen dürften. Auch die Stadt hatte zwei
Grundstücke erworben: Auf dem einen steht bereits das Gerätehaus des Löschzugs Rauxel der freiwilligen Feuerwehr, auf dem anderen soll bis 2027 eine viergruppige Kita auch für die neuen Bewohner des Stadtteils entstehen.

... in Ickern

Mit über 15.500 Einwohnern ist Ickern der größte Stadtteil unserer Stadt. In den vergangenen Jahren ist hier auch das größte neue Wohngebiet entstanden: das Beerenbruchviertel. Seit Baubeginn im März 2022 hat die Dornieden-Gruppe dort in mehreren Bauabschnitten 134 energieeffiziente Häuser sowie „Vista“-Doppel- und Reihenhäuser errichtet. Derzeit
leben schon etwa 400 Menschen im Viertel. Auch zwei Heizzentralen sind bereits in Betrieb. „E-Bike- und Paketstationen sowie CarSharing- und Lademöglichkeiten befinden sich in Vorbereitung“, sagt Nancy Geserich aus dem Marketing der Dornieden-Gruppe.

„Der Straßenendausbau wurde in den bereits bezogenen Bereichen abgeschlossen, und im Laufe dieses Jahres wird mit dem Ausbau der öffentlichen Grünflächen und Spielplätze begonnen.“ 15 weitere Häuser seien im Bau und weitere 17 würden bis voraussichtlich 2026 folgen, kündigt sie an. Von den 15 im Bau befindlichen Häusern seien noch einige wenige verfügbar und stehen zur Vermarktung. Für eine außerdem geplante Kita und Mehrfamilienhäuser gebe es einen Investor; die Abstimmungen liefen aber noch.
www.dornieden-gruppe.com


... in Habinghorst

Mit knapp 9.000 Einwohnern ist Habinghorst nach Ickern (Nord und Süd) und Rauxel (West und Ost) der drittgrößte Stadtteil Castrop-Rauxels. Seit November 2024 baut die Telekom im Stadtteil das Glasfasernetz aus. Auch die Emscher-Renaturierung der letzten Jahre und das angrenzende neue Naherholungsgebiet Emscherland dürften zumindest in den nördlichen Teil positive Impulse aussenden. So entsteht direkt am Emscherufer ein neues Wohngebiet – zu früheren Zeiten der „Köttelbecke“ noch undenkbar. An der Wartburgstraße soll ab 2027 der MLP-Businesspark mit 73.000 Quadratmetern modernen Hallen- und Bürofläche entstehen. Derzeit stoße man das Bebauungsplanverfahren bei der Stadt an, hieß es aus Unternehmenskreisen.
ccc-immogrund.de
mlpgroup.com 

... in Castrop

Mit gut 8.400 Einwohnern ist Castrop mit der Altstadt der einwohnermäßig viertgrößte Stadtteil. Im Einklang mit dem Nahmobilitätskonzept baut Straßen.NRW derzeit den Altstadtring zwischen Bochumer und Herner Straße um. Nach Abschluss der Arbeiten gibt es in beiden Fahrtrichtungen einen gesicherten Radweg, „sodass wir über die Bahnhofstraße eine gute Radverbindung zwischen Altstadt und Hauptbahnhof erhalten“, sagt Verena Reuter, Bereichleiterin Stadtentwicklung und Statistik. Für die Altstadt hat die Stadt erst 2024 ihr Einzelhandelskonzept fortgeschrieben, das vorsieht, sie als Einzelhandelszentrum zu stärken.

Ein Instrument ist die Teilnahme am Landesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren Nordrhein-Westfalen“, mit dem sie leerstehende Ladenlokale anmieten und befristet zu deutlich günstigeren Mieten weitervermieten kann. Darüber hinaus will sie den Castroper Marktplatz stärken und als Gastronomiestandort weiterentwickeln. Auch weitere frequenzerzeugende Nutzungen wie medizinische Versorgungszentren oder sonstige Gesundheitseinrichtungen will sie in der Altstadt etablieren

Info
Innenstadtmanagement

Tel. 02305 / 4388688
ladenlokal@innenstadt-castrop.de

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