Allein im Stadtteil Ickern gab es mehr als 40 Kneipen. „Schachtmarken“ weisen nun auf die einstigen Standorte hin.
Der Bergbau ist in Castrop-Rauxel bis heute gegenwärtig. Einige Spuren sind noch deutlich sichtbar, so wie die Zechensiedlungen und Denkmäler im Stadtteil Ickern. Andere Spuren drohen zu verblassen, etwa die zahlreichen ehemaligen Kneipen allein in Ickern. „Früher hat man das Geld auf der Zeche Bar auf die Hand bekommen und dann ist man mit seinen Kumpels schnell nach der Schicht in die Kneipe“, erinnert sich Mario Pallasch. „Manche hatten Pech und wurden schon am Zechentor von Frau und Kindern abgefangen, damit sie das Geld nicht versaufen.“
Der ehemalige Bergmann ist im Vorstand von Mein Ickern e. V. Zum 800. Ortsteil-
Jubiläum wollte der Verein das Gedenken an die vielen Kneipen des Stadtteils aufleben lassen. Gemeinsam wurden alte Fotoalben durchforstet und in Erinnerungen geschwelgt. Auf rund 40 Kneipen kamen die Vereinskollegen, und jede hat ihre eigene kleine Geschichte zu erzählen. Diese soll nun auf Schachtmarken, A5-großen Platten, an den Fassaden der ehemaligen Kneipen festgehalten werden.
Früher Bergbaukneipe heute Steakhaus
Einige dieser Kneipen sind sogar noch in Betrieb, unter anderem das Steakhaus „Lindenhof“ auf der Recklinghäuser Straße. Heute ist es bekannt für seine großen Grillteller in gemütlich-rustikaler Atmosphäre. Wie Mario Pallasch erzählt, sah es dort früher aber ganz anders aus: „Ich war noch ein kleiner Junge, mein Vater war hier ab und zu mal mit mir. Da war es eben einfach nur ein langer Tresen mit Stühlen. Wie man sich eine ganz einfache Kneipe so vorstellt.“
Erbaut wurde der Lindenhof 1913 von einem Schreinermeister namens Heinrich Heinrichs. Im Oktober 1913 öffneten sich zum ersten Mal die Türen zur Gaststätte mit dem Namen „Gasthaus zum Lindenhof“. In den 1930ern zog sich Heinrichs zurück und verpachtete das Gebäude. Nach einem weiteren Pächterwächsel und einem Leerstand nach dem Krieg übernahm Anton Herglotz 1953 die Wirtschaft und führte sie bis 1960. Die Kneipe war Standquartier der 5. Kompanie der Schützengilde Ickern.

Es folgte eine umfassende Renovierung; die Gaststätte erhielt eine Kegelbahn. Noch zahlreiche Male wechselten die Besitzer – bis 1992 Momcilo Deric das Lokal übernahm. Er kam aus einem kleinen Balkandorf, um hier zu arbeiten. Ihm gehörte einige Zeit das Steakhaus „El Paso“ auf der Wartburgstraße. Doch zwei Gaststätten waren dem Wirt damals zu viel. So führt er heute nur noch den Lindenhof als Restaurant für argentinische und Balkanspezialitäten.
Ein Stück Geschichte für Stadt und Familie
Die Bergbauzeit in Castrop-Rauxel hat Momcilo Deric nicht mehr miterlebt, dennoch fühlt er sich geehrt, ein Teil des Projekts „Ickerner Schachtmarken“ zu sein. Für die Stadt ist der Standort ein Stück Geschichte – und für die Familie Deric ebenfalls. Wenn Momcilo Deric irgendwann aufhört, dann soll sein Sohn weitermachen. „Das ist harte, aber ehrliche Arbeit – so wie damals unter Tage. Wir machen das gerne“, so Deric.

Während der Entwicklung der Schachtmarken ist dem Verein noch eine weitere Idee gekommen. Für das Jahr 2021 wird es einen Kneipenkalender geben, mit allen ehemaligen Kneipen und alten Fotos. Vorstandsmitglied Mario Pallasch würde sich freuen, wenn das Projekt größer würde. „Vielleicht haben andere Stadtteile auch Lust so etwas zu machen. Die Bergbau- und Kneipenkultur in Castrop-Rauxel ist etwas Besonderes.“
www.mein-ickern.de
www.steakhaus-lindenhof.de